header Psychosoziale Beratungsstelle für Suchtprobleme
Sie haben es immer wieder versucht, aus eigener Kraft aufzuhören. Und sind gescheitert. Wider Willen zog es sie doch wieder in die Spielhalle hinein. Oder sie griffen trotz guter Vorsätze zum Handy und gingen neuerlich Sportwetten ein. Um ihre Spielsucht zu finanzieren, verbrauchten sie ihr gesamtes Einkommen und ihr Vermögen. „Die Menschen, die zu mir kommen, sind oft völlig verzweifelt“, sagt Petra Müller von der Psychosozialen Beratungsstelle für Suchtprobleme des Würzburger Caritasverbands.

Seit zehn Jahren hilft Petra Müller Menschen, mit ihrer Passion für Glücksspiele klarzukommen. Im August 2008 nahm sie als unterfrankenweit erste Glücksspieltherapeutin ihre Arbeit auf. Finanziert wird ihre Stelle damals wie heute von der Ende Juni 2008 gegründeten „Landesstelle Glücksspielsucht“.

Schon vor Müllers Amtsantritt gab es in der Würzburger Suchtberatungsstelle der Caritas Klienten mit extrem hohem Spielverlangen. Doch zu jener Zeit war Glücksspielsucht insgesamt noch etwas Seltenes. 15 Männer im Alter zwischen 25 und 40 Jahren wurden 2007 beraten. Im vergangenen Jahr therapierte Müller fast 120 Klienten. Nach wie vor sind die meisten männlich: „Doch inzwischen haben wir auch Frauen.“ Auch ist die Klientel jünger geworden. Zugenommen hat außerdem die Zahl der Klienten mit Migrationshintergrund: „Ihr Anteil liegt aktuell bei etwa 20 Prozent.“

Jeder von Müllers Klienten hockt auf einem Schuldenberg. Viele verspielten nicht nur das eigene Geld. Da ist zum Beispiel der Mann, der das Taschengeld seiner Kinder verzockte. Und sich dafür furchtbar schämt. Ein Student verlor „nur“ 500 Euro: „Doch er ist BaföG-Empfänger, 500 Euro sind für ihn viel Geld.“ Zu Müllers Klienten gehören auch Menschen, die, um ihre Sucht zu befriedigen, in die Firmenkasse griffen. Einige betrogen, um zu Geld zu kommen. Sie wurden erwischt und büßten dafür mehrmonatige Freiheitsstrafen ab.

Wie jede andere Sucht, fängt auch das pathologische Verlangen nach Glücksspielen harmlos an. Das Ambiente von Spielhallen kann gerade junge Menschen mit wenig Selbstbewusstsein schwer beeindrucken: „Auf dem Boden liegt ein roter Teppich, teilweise gibt es Getränke oder Snacks umsonst, das Personal ist zuvorkommend.“ Nach wenigen Besuchen zählt man zu den „Stammgästen“, man wird mit Namen angesprochen, fühlt sich zugehörig. Wenn es zum Gewinn kommt und der Automat entsprechende Geräusche produziert, kann es sein, dass die Leute von den Nachbarautomaten herbeieilen. Für einen Augenblick ist man „wer“.

Müller arbeitet mit ihren Klienten die Entstehungsgeschichte der Sucht auf. Sie klärt darüber auf, dass der Kontrollverlust, unter denen die Betroffenen stark leiden, etwas ganz Normales bei jeder Suchterkrankung ist. Typisch für Menschen mit Abhängigkeitserkrankung ist außerdem, dass es ihren schwer fällt, ihre Gefühle zu identifizieren. „Ich hatte halt so einen irren Stress“, sagen Betroffene oft, werden sie gefragt, warum der Spieldrang in diesem oder jenem Moment so überwältigend stark war. Doch „Stress“ ist kein Gefühl: „Oft steckt dahinter Angst.“ Auch Wut, Ärger oder Trauer können stressen.

Glücksspieler müssen lernen, unangenehme Gefühle und Frust auszuhalten. Das ist schwierig. Am Beispiel einer „Ampel“ übt Müller mit ihren Klienten, den Schweregrad ihrer Gefühle, die mit dem Spielen in Zusammenhang stehen, einzuschätzen. Fährt ein Spieler an einer Spielhalle vorbei und denkt: „Das wäre jetzt schön, wenn ich da reingehen könnte!“ muss das noch nicht gefährlich sein. Kann er den Gedanken gleich wieder auf die Seite schieben, ist alles im Grünen Bereich. Bei hartnäckigerem Verlangen schaltet die Ampel auf „Gelb“: „Dann hilft aber meist ein Ortswechsel oder eine andere Form von Ablenkung.“ Bei einem sehr starken Drang springt die innere Ampel auf „Rot“.

Dann genügt es nicht mehr, das Zimmer zu verlassen oder einen guten Freund anzurufen. Jetzt muss auf der Stelle ein starker Gegenreiz her. Der findet sich im „Notfallkoffer“, den Petra Müller mit ihren Klienten packt. Der Koffer birgt zum Beispiel Brausepulver, wie es sich Kinder auf den Arm streuen, um daran zu lecken: „Schüttet man sich zwei Päckchen auf einmal in den Mund, ist man einige Minute gut damit beschäftigt.“ In dieser Zeit ist der Scheitelpunkt des Suchtverlangens überwunden und die Suchtwelle ebbt allmählich ab.

Anfang 2009 gründete Müller eine angeleitete Gruppe für Menschen, die nur schwer von Geldspielautomaten, Sportwetten oder Online-Spielen loskommen. Diese Gruppe ist bis heute für alle Betroffenen aus Unterfranken offen. Wie hilfreich sie im Kampf gegen die Sucht ist, zeigt die Tatsache, dass mehrere Mitglieder schon viele Jahre dabei sind: „Einer kommt regelmäßig bereits seit 2009.“

Pat Christ

Wo es Hilfe gibt

Menschen mit Glücksspielsucht können sich an jede Psychosoziale Beratungsstelle für Suchtprobleme in der Region wenden. Am Untermain und in Main-Spessart werden die Stellen von der Caritas getragen. Die Miltenberger Einrichtung ist unter Tel. 09371-97894 oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! zu erreichen. Kontakt zur Einrichtung in Aschaffenburg gibt es unter Tel. 06021-392-201 oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Die Beratungsstelle in Main-Spessart kann unter Tel.: 09352-843-121 oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! kontaktiert werden. Alle Spieler aus Unterfranken können an der angeleiteten Gruppe in Würzburg teilnehmen. Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Der Notfallkoffer, den Suchttherapeutin Petra Müller mit ihren Klienten packt, hilft Menschen mit pathologischer Glücksspielsucht in Momenten heftigsten Spielverlangens.

Pat Christ

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