header Psychosoziale Beratungsstelle für Suchtprobleme
„Spielteilnahme ab 18 Jahren. Glücksspiel kann süchtig machen.“ Den Spruch kennt ein jeder, Betroffene die wenigsten. Nicht weil es so wenige gäbe. Aber diese Abhängigkeit wird meist schamhaft verschwiegen, bleibt lange Zeit ein unentdecktes Geheimnis.Rund 300.000 Menschen in Deutschland können nicht mehr über sich selbst bestimmen, haben keine Kontrolle über ihr Spielverhalten, trotz drohender oder bereits entstandener gravierender Folgen im persönlichen, familiären oder beruflichen Umfeld. Sie sind krank. Süchtig nach dem, was für die meisten nur ein gelegentliches Freizeitvergnügen darstellt:

Automaten-und Casinospiele, Sportwetten, Poker, Lotterien. Allein in Bayern gelten nach aktuellen Erhebungen der Landesstelle Glücksspielsucht über 28.000 Menschen als pathologische Glücksspieler, weitere 34.000 zeigen ein problematisches Spielverhalten. Die Versuchungen sind groß, die Geld-Verspiel-Gelegenheiten zahlreich: Einer Studie zufolge existierten im Jahr 2012 im Freistaat über 1.000 Spielhallenstandorte – einzelne Automaten in Gaststätten und Kneipen nicht eingerechnet. 

Die Erkenntnis, dass diese Art der Sucht längst kein Nischenthema mehr ist, führte 2008 dazu, dass das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit 24 halbe Fachstellen für Glücksspielsuchtberatung schuf. Sie sind angebunden an die psychosozialen Suchtberatungsstellen der freien Wohlfahrtsverbände, in Würzburg an den Caritasverband. Finanziert werden sie von der Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern, der zentralen Schnittstelle aller an der Prävention, Suchthilfe und Suchtforschung bei Glücksspielsucht beteiligten Organisationen und Akteure.

Das fünfjährige Bestehen der Würzburger Einrichtung, in der die Beratung anonym, kostenfrei und zeitnah erfolgt, die Infos vermittelt und über Präventionsangebote aufklärt, ist Anlass für eine kleine Bilanz über den Kampf gegen die zunehmend grassierende Obsession. Wie gut sich das Beratungsangebot für Klienten mit glücksspielbezogenen Problemen inzwischen etabliert hat, spiegeln die von Petra Müller vorgelegten Zahlen wider: 

Die Sozialpädagogin, Systemische Therapeutin und Lauftherapeutin ist seit 2012 Leiterin der Psychosozialen Beratungsstelle für Suchtprobleme des Caritasverbandes und hat gemeinsam mit ihrer Kollegin Katrin Ertl allein bis Ende vergangenen Jahres 375 Menschen mit pathologischem oder problematischem Glücksspielverhalten sowie deren Angehörige beraten und behandelt. Eine Arbeit, die sie so nur leisten konnten, weil auch ihre Zeit dafür von anfänglich 18 auf aktuell 34 Wochenstunden aufgestockt wurde – was bayernweit übrigens ein Einzelfall war.

Wer steckt konkret hinter ihrer Klientel? „Zu über 80 Prozent sind es Männer quer duch alle Alters- und Einkommensschichten vom Schüler bis zum Beamten“, sagt Petra Müller. 90 Prozent von ihnen suchten ihr Glück am Automaten. Fensterlose, gehoben ausgestattete „Casinos“, so die euphemistische Bezeichnung für Spielhallen, die Otto Normalbürger kaum wahrnimmt geschweige denn von innen kennt, werden für sie zu einem Ort, wo sie Frust, Ärger und Alltagssorgen zu vergessen suchen. Die anderen zehn Prozent könnten nicht aufhören mit Pokern, Sportwetten, Roulette, Black Jack. 

Dass pathologisches Spielen zu finanziellen Schwierigkeiten führt – im Durchschnitt haben krankhafte Gambler 30.000 Euro Schulden –, dass es sich auf die gesamte Lebenswelt des Betroffenen auswirkt, Familie und Freunde in Mitleidenschaft gezogen werden, ungesunder Lebensführung und psychischen Erkrankungen Vorschub leistet, sind Fakten, mit denen die beiden Sozialpädagoginnen täglich konfrontiert werden.

Egal, ob die Ratsuchenden von sich aus kämen oder eher unfreiwillig, weil Angehörige Druck ausübten: „Um den Menschen in ihrer Not zu helfen, suchen wir mit ihnen nach individuellen Lösungen, die Spielsucht in den Griff zu bekommen“, erzählt die Leiterin der Beratungsstelle. Zunächst gelte es, Motivation aufzubauen, „ein Arbeitsbündnis
zu entwickeln“. Neben diagnostischen und Interventionsverfahren sowie Gesprächen geben die beiden Fachfrauen auch ganz konkrete Tipps für den Alltag, zeigen Strategien auf, wie sich der Betroffene dem nahezu unwiderstehlichen Spielzwang widersetzen kann. Auch beim Vermitteln in eine angeleitete Gruppe für Spieler, in eine stationäre Therapie – seit etlichen Jahren erkennen Krankenkassen und Rentenversicherung die Sucht als therapiebedürftige Krankheit an – mit anschließender Nachsorge in der Beratungsstelle oder in eine Schuldnerberatungsstelle stehen sie den Betroffenen zur Seite. Laut Statistik schaffen es etwa 60 Prozent, ein Jahr lang abstinent zu bleiben, Langzeitstudien zum Verhalten nach einer Behandlung liegen bislang nicht vor. Petra Müller erklärt dazu auch aus ihrer Erfahrung: „Sucht kann man nicht heilen, Rückfälle gehören zum Krankheitsbild und werfen die Frage auf, wie man damit umgeht. Sind sie Drama, weil sie zu alten Verhaltensmustern führen, oder Chance, weil der Betroffene daraus lernt?“

Natürlich beraten die Fachfrauen auch Angehörige, die mit der Problematik nicht mehr klarkommen, und halten Tests bereit für alle, die Klarheit über ihr Suchtpotenzial haben wollen. „Wir haben viele Möglichkeiten zu helfen und den Menschen zu zeigen, dass sie mit ihrem Problem nicht alleine stehen“, sind sich die Mitarbeiterinnen im Caritasverband
sicher.

Weitere Informationen zum Thema bei: Psychosoziale Beratungsstelle für Suchtprobleme, 97070 Röntgenring 3 (Friedrich-Spee-Haus), Tel. 38659-180 sowie im Internet unter: www.suchtberatung-wuerzburg.de

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